Gesellschaft und Teilhabe
Das deutsche Gesundheitssystem ist nicht nur robust, sondern bietet den Menschen hierzulande viele Leistungen. Migrantinnen und Migranten nehmen diese allerdings noch viel zu selten wahr.
Migrantinnen und Migranten nehmen noch zu selten an präventiven und medizinischen Leistungen sowie an Reha-Maßnahmen des Gesundheits- und Pflegewesens teil. Das liegt auch daran, dass zum Beispiel Flüchtlinge diese Leistungen vorübergehend nicht wahrnehmen dürfen und Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung dauerhaft davon ausgeschlossen sind. Hinzu kommt eine unbekannte Zahl von Zugewanderten, die trotz Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis ohne Krankenversicherung bleiben.
Dabei neigen Migrantinnen und Migranten häufiger zu chronischen oder psychischen Krankheiten, sind anfälliger für Sucht, Adipositas oder Karies. Und auch bei den wichtigen Impfungen besteht häufig Nachholbedarf.
Die medizinische Versorgung verbessert sich in der Regel mit der Länge des Aufenthalts in Deutschland. Allerdings ist nicht alles nur eine Frage der Zeit: Denn ein niedriger Sozialstatus sowie kulturelle und sprachliche Barrieren sind ebenfalls Faktoren für die oft schlechtere medizinische Versorgung von Zugewanderten.
Die hohe Versorgungsqualität des deutschen Gesundheits- und Pflegewesens kann aber nur dann bestmöglich genutzt werden, wenn alle Menschen einen optimalen Zugang haben.
Welche Schritte müssen wir gehen?
Auf dem Integrationsgipfel der Bundeskanzlerin im Jahr 2015 benannten die Bundesregierung, Länder, Kommunen, Migrantenorganisationen und die Wissenschaft die Herausforderungen klar:
Berichterstattung und Forschung
Die aktuelle Daten- und Faktenlage ist unvollständig. Sie lässt keine systematische Auswertung der gesundheitlichen Situation von Menschen mit Einwanderungsgeschichte zu. Die Gesundheitsberichterstattung und die epidemiologische Forschung sollen diese Gruppe deshalb regelmäßig berücksichtigen.
Anprache
Darüber hinaus fehlt es zum Teil noch an einer zielgruppengenauen Ansprache, damit alle Menschen von den Leistungen des Gesundheitswesens profitieren können. Viele Informationen über medizinische Leistungen, Rehabilitation oder Präventionsangebote erreichen Menschen mit Einwanderungsgeschichten in unzureichendem Maße.
Öffnung und Angebote
Die interkulturelle Öffnung und neue kultursensible Angebote sind die Zukunftsaufgaben für alle Einrichtungen der medizinischen und pflegerischen Versorgung sowie der Prävention und Selbsthilfe.
Migrantenorganisationen
Die Migrantenorganisationen haben sich mit einem Positionspapier beim Integrationsgipfel eingebracht. Sie sehen sich als Katalysatoren der Teilhabeförderung. Und sie sind es, die einen speziellen Zugang zu Einwanderergruppen haben und ihnen Türen zum Gesundheits- und Pflegewesen öffnen können. Die Selbsthilfe spielt hierbei eine wichtige Rolle.
Heute gibt es schon eine ganze Reihe von Initiativen, Plattformen und Angeboten, die Zugewanderten mehr Teilhabe an Präventions-, Medizin- du Rehabilitationsleistungen ermöglichen.
Das Portal "Migration und Gesundheit"
Auf dem mehrsprachigen Internetportal "Migration und Gesundheit" können sich Menschen informieren, die mit dem deutschen Gesundheitswesen nicht vertraut sind. Das Portal richtet sich außerdem an ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die Zugewanderte nach deren Ankunft unterstützen. Sie können sich über Themen wie Impfschutz, Schwangerschaft, Notfälle, Frauen- und Männerkrankheiten, Kinder oder Sucht informieren.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
Die BZgA fördert Gesundheitserziehung und Gesundheitsförderung, um Gesundheitsrisiken vorzubeugen und gesundheitsfördernde Lebensweisen zu unterstützen.
Zur Überwindung von speziellen Zugangsbarrieren – insbesondere sprachlicher und kultureller Art – oder bei besonderem Bedarf finden sich hier mehrsprachige Materialien, Informationen und Hilfestellungen für Multiplikatoren, die auf Menschen mit Einwanderungsgeschichte zugeschnittenen sind.
MiMi-Bestellportal
2003 rief das Ethno-Medizinische Zentrum „Mit Migranten für Migranten (MiMi)“ ins Leben. Es ist das bundesweit wohl erste interkulturelle Gesundheitsprojekt, das die derzeit empirisch erfassten Chancenungleichheiten der in Deutschland lebenden Migrantenbevölkerung durch einen sogenannten „Lotsen-basierten Setting-Ansatz“ angeht. In der jeweiligen Muttersprache motiviert es zudem kultursensibel dazu, gesund zu leben und die Vorteile des deutschen Gesundheitssystems sinnvoll zu nutzen. Das mehrsprachige Portal bietet unter anderem Informationen zu Impfungen, zum Gesundheitswesen und aktuell zum neuen Coronavirus Sars-CoV-2.
Unabhängige Patientenberatung
Das kostenlose Angebot der Unabhängigen Patientenberatung richtet sich an alle Interessierten in Deutschland – egal, ob sie gesetzlich, privat oder nicht krankenversichert sind. Die Beratung ist auf Deutsch, Türkisch und Russisch möglich.
Newsletter Interkulturelle Öffnung im Gesundheitswesen der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V. (LVG)
Arbeitskreis Migration und öffentliche Gesundheit
Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration koordiniert den bundesweiten Arbeitskreis Migration und öffentliche Gesundheit. Das Netzwerk befasst sich mit allen Fragen, rund um die der Verbesserung der gesundheitlichen Beratung und Versorgung von Migrantinnen und Migranten.
Die rund 50 Mitglieder des Arbeitskreises kommen aus den unterschiedlichsten Fachbereichen des öffentlichen Gesundheitsdienstes und des Gesundheitswesens, der Kommunen, der Länder und des Bundes sowie aus fachlich spezialisierten Einrichtungen von Migrantinnen und Migranten. Von Seiten des Bundes sind das Bundesministerium für Gesundheit und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) vertreten.