Ein Raum für Ermutigung – Die Männer-Gesprächsrunde in der AWO-Familienwerkstatt

  • Startseite
  • Staatsministerin

  • Ich möchte mehr wissen über

  • Integrationsarbeit in den Bereichen

  • Medien

  • So erreichen Sie uns

Männer in einer Gesprächsrunde

Einen Raum, um sich zwanglos miteinander auszustauschen.

Foto: Integrationsbeauftragte / Loos

Mohamad Alkader aus Dessau hat ein Jobangebot als Elektronik-Ingenieur und sogar eine Wohnung in Dortmund in Aussicht. Und er hat ein Problem: „Ich habe aber die Wohnsitzauflage für Sachsen-Anhalt. Ich kann nicht so einfach dorthin gehen.“ So eingeschränkt sei die Situation für den Syrer nicht, erklärt Othman Saraji von der AWO SPI Soziale Stadt- und Landentwicklungsgesellschaft mbH. „Wenn du einen festen Vertrag in Dortmund nachweist, kannst du das Bundesland wechseln.“ Nur eines wird sich für Alkader durch eine Stelle nicht verbessern – seine Chancen auf einen Aufenthaltstitel.

Erfahrungsaustausch bei der Suche nach einer festen Arbeit

Eine feste Arbeit zu finden, um sich und die Familie aus eigener Kraft zu versorgen, ist eines der zentralen Themen für die Männer in der offenen Gesprächsrunde des Empowerment-Projekts der AWO SPI in Dessau. Auf dem Weg dahin gilt es, mit der deutschen Sprache klarzukommen, sich bei Behörden zurecht zu finden und sich nicht von den manchmal schwer zu verstehenden Entscheidungen der Behörden irritieren oder einschüchtern zu lassen.

Häufig kreisen die Fragen und Gedanken der acht Männer, die sich an diesem Donnerstag in der AWO Familienwerkstatt getroffen haben, um die Möglichkeiten ihren Beruf wieder ausüben zu können. Das Empowerment-Projekt will ihnen dafür Raum und Unterstützung geben. Einen Raum, um sich zwanglos miteinander über beispielsweise die Erfahrungen beim Deutsch-Lernen, bei der Arbeits- und Wohnungssuche und über die Zukunftsaussichten in Deutschland auszutauschen oder benötigte Informationen einzuholen.

Perspektiven im neuen Land

Projektleiter

Othman Saraji, Projektleiter für Empowerment-Projekte bei der AWO SPI

Foto: Integrationsbeauftragte / Loos

Othman Saraji, heute Projektleiter für Empowerment-Projekte bei der AWO SPI, kam selbst erst vor drei Jahren aus Syrien nach Deutschland und arbeitete zunächst als Ehrenamtlicher in der Familienwerkstatt mit. Der 36-Jährige ist inzwischen fest angestellt als Mittler zwischen den Kulturen und häufig einfach auch zwischen den beiden so unterschiedlichen Sprachen. Wer, wenn nicht er, könnte besser Mut machen und glaubwürdig dafür einstehen, dass es nach der Flucht gibt?

Viele Fragen in einer fremden Sprache

„Man muss viel herumfragen“, stellt auch Mohamed Altahl fest. Vor seiner Flucht hatte der Zweiradmechaniker eine eigene Werkstatt. „Darf ich hier überhaupt ein Zweiradreparaturgeschäft eröffnen?“ Und woher kommt das Geld dafür? Gewährt eine Bank einen Existenzgründerkredit? Die Zuständigkeit von Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern oder Meisterzwänge sind häufig nicht ohne Weiteres verständlich - auch für in Deutschland Aufgewachsene nicht.

Nicht aufgeben bei Fehlschlägen

Männer im Gesprächskreis

Möglichkeiten und Perspektiven im neuen Land?

Foto: Integrationsbeauftragte / Loos

Kein Wunder, dass es den Männern, die manchmal erst seit sechs oder sieben Monaten einen Deutschsprachkurs besuchen, schwerfällt, sich in der noch fremden Sprache dazu zu artikulieren. Einige von ihnen haben auch bereits mehrere Sprachkurse auf verschiedenen Leveln hinter sich. Die große Hürde heißt „B2“: Deutschkenntnisse auf diesem Niveau gelten als Voraussetzung, um hier eine Arbeit zu finden. Doch die Anforderungen in der B2-Prüfung, wie Lückentexte oder einen offiziellen Brief mit einer vorgegebenen Wortzahl in begrenzter Zeit zu schreiben, haben wenig mit ihrem Alltag zu tun.

Manch einer ist durchgefallen und skeptisch, ob er dieses Hindernis je überwinden kann. „Dann müsst ihr sie wiederholen. Immer wieder machen, so lange, bis ihr bestanden habt“, macht Saraji Mut. Das Gefühl von „Ich kann doch gar kein Deutsch sprechen!“ setzt sich schnell fest, obwohl das keineswegs so zutrifft. Wenden sich die Männer Sarajis deutschsprachiger Kollegin Sandra Pritz zu, kommen ihnen die richtigen Worte sehr wohl in den Sinn und aus dem Mund.

Mut machen und Verständnis zeigen

Gesprächsteilnehmer

Mut machen und Verständnis zeigen

Foto: Integrationsbeauftragte / Loos

Auch Othman Saraji sprach vor drei Jahren erst ein wenig Deutsch und weiß, wie die Männer sich fühlen: „Die Leute brauchen jemanden, der sie versteht und sich in Deutschland schon integriert hat, der sie bei ihren Fragen besser verstehen und unterstützen kann.“ Der Mut machen kann, sich nicht abwimmeln oder von Widrigkeiten oder Sprachproblemen kleinkriegen zu lassen.

Netzwerke nutzen und Kontakte vermitteln

Saraji kann etwa dem gelernten Photoshop-Designer Sachar Belal sagen, dass der Arbeitsmarkt für ihn mit IT-Kenntnissen nicht schlecht aussieht, wenn er sich neben seinem Spezial-Wissen noch weitere Kenntnisse aneignet. Vielleicht sei gerade für ihn die Situation gar nicht so schwierig wie gedacht, denn das Fach-Englisch in der Branche dürfte die Verständigung erleichtern. Saraji will versuchen, Kontakte zu passenden Beratungsstellen und möglichen Arbeitgebern über das Netzwerk der AWO SPI herzustellen.

„Mit niedrigschwelligen Angeboten, wie die Männer-Gesprächsrunde in Dessau schaffen wir es, dass die Geflüchteten schnell ihren Weg in die Gesellschaft finden. Alle im Land, egal welcher Herkunft, sollen ihre Potentiale einbringen und ihren Weg finden können. Dies sichert den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“ sagt Staatsministerin Annette Widmann-Mauz dazu.

Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration fördert Projekte, die die Selbsthilfepotentiale und Selbsthilfestrukturen stärken. Dazu gehören auch Angebote, die den Austausch über Wissen für den Alltag in Deutschland befördern.

Gute Arbeitsmarktchancen für viele Berufe

Gesprächsteilnehmer

Alles, was zwischen akademischem Grad, Handwerk und Handel denkbar ist, ist in der Runde vertreten.

Foto: Integrationsbeauftragte / Loos

Alle acht Männer in der Gesprächsrunde haben in ihrem Heimatland Syrien ihre Berufe ausgeübt – oder waren gerade im Studium auf dem Weg dahin. Das Spektrum reicht vom Fliesenverkäufer und KFZ-Mechaniker über den Sozialpädagogen bis zum Literatur- und Wirtschaftswissenschaftler. Alles, was zwischen akademischem Grad, Handwerk und Handel denkbar ist, ist in der Runde vertreten.

Der Arbeitsmarkt sieht grundsätzlich gut aus für diese Männer – Fachkräftemangel und niedrige Arbeitslosenzahlen lassen hoffen. Vorausgesetzt, die Abschlüsse und Qualifikationen werden anerkannt. Auch dabei kann ein Hauptamtlicher von der AWO SPI helfen. Die Magdeburger Verkehrsbetriebe suchen beispielsweise händeringend Busfahrer, die AWO hat ein Kooperationsabkommen mit dem Unternehmen abgeschlossen. Die Verkehrsbetriebe schulen gegebenenfalls nach und kümmern sich um die Anerkennung ausländischer Führerscheine.

Steine aus dem Weg räumen für ein neues Leben in Deutschland

Eine Chance für Gherebi Rhabah? „Muss ich dort nochmal eine Schule besuchen?“, will der Busfahrer wissen. Ein bisschen später die Frage: „Wie komme ich denn dahin? Das ist dann wieder so weit weg von der Familie.“ Denn eigentlich fühlen sich die Männer und ihre Familien wohl in Dessau. Finden Kontakt und Anbindung an Orten, wie der Familienwerkstatt im Stadtzentrum, die Anlaufstelle für sie ebenso wie für ihre Frauen und Kinder geworden ist. Die vielleicht schon ein bisschen neue Heimat gewordene Stadt möchten die Männer häufig gar nicht so gern wieder verlassen.

Gesprächsteilnehmer

Wer fragt und sich austauscht, kann einige Steine aus dem Weg räumen.

Foto: Integrationsbeauftragte / Loos

Manchmal fehlt nur ein Hinweis, um klarzumachen, dass vieles vielleicht doch nicht so kompliziert ist wie gedacht. Gherebi Rabah wusste etwa nicht, dass er bei der Dessauer Verkehrsgesellschaft in der Personalabteilung direkt nachfragen oder sich gleich bewerben kann. Othman Saraji will sein Anliegen mit ihm noch einmal im Einzelnen durchgehen und schauen, ob er nicht vor Ort Arbeit als Busfahrer finden könnte.

Sicher wird sich nicht jedes Problem in einer einmal wöchentlich stattfindenden Gesprächsrunde lösen lassen. Aber eines ist gewiss: Wer fragt, sich austauscht und das Wissen der Profis und Hauptamtlichen in der Familienwerkstatt „anzapft“, kann einige Steine auf dem Weg in sein neues Leben in Deutschland vielleicht schneller und beherzter wegräumen.